"We Come as Friends": Das schnelle Geld winkt im tiefsten Afrika27. November 2014, 12:48In seinem Film entwirft der Dokumentarist Hubert Sauper ein Bild des Südsudan, das voller Widersprüche steckt. Geprägt wird das Land von lauter brutalen Ungleichzeitigkeiten
Wien - "Wir sind nicht länger Sklaven" war eine der Parolen, als der Südsudan 2011 als eigener Staat ausgerufen wurde. Ein "Land des Überflusses", wie es in der Hymne heißt, in dem aber bittere Armut herrscht. Ein Volk, das sich aus der Bevormundung durch den arabischen Norden gelöst hat, nun aber sehen muss, wie es sich allein durchbringt. Der Präsident trägt gern Cowboyhut, aber hat er damit gerechnet, dass texanische Missionare nun solarbetriebene Audiobibeln in das Land bringen werden und den Kindern verbieten, nackt herumzulaufen? Es ist eine von vielen aufschlussreichen Stationen, die Hubert Sauper in seinem Dokumentarfilm We Come as Friends angesteuert hat, dieses "New Texas", in dem eine Gruppe von Menschen von außen den Südsudanesen beibringen will, wie sie leben und wirtschaften sollen und außerdem natürlich zu wem zu beten ist.
Das Wort "angesteuert" muss dabei ganz wörtlich genommen werden. Sauper war mit einem eigens für den Film und von ihm selbst konzipierten Einpropeller-Leichtflugzeug unterwegs, von dem gelegentlich zu sehen ist, dass es von einem Esel zu einer sandigen Startbahn gezogen wird. Dass der Regisseur sich auch selbst im Pilotenhemd ins Bild rückt, mag als eine Anspielung auf die zentrale (bittere) Ironie des Films begriffen werden: Südsudan ist für Sauper mehr denn je ein Spielball kolonialer Interessen. Er schließt damit an seinen weltweit erfolgreichen Film Darwin's Nightmare an, in dem er den afrikanischen Viktoriasee als ein Epizentrum der Globalisierung nahm.
In We Come as Friends begreift er die Vertreter der internationalen Mächte, die als Investoren, Ölförderarbeiter oder Diplomaten ins Land kommen, als Aliens. Und der verwunderte Satz, dass der Mond dem weißen Mann gehört, ist so etwas wie der Refrain des Films: Unterschiedliches Verständnis von "property rights" macht die Entwicklung in Afrika so schwierig. So sehen es jedenfalls Leute, die einem Bauern und Freiheitskämpfer für 25.000 Dollar seine Landrechte abkaufen - für sechzig Jahre!
Der "big buck", der im Südsudan zu machen ist, verteilt sich wenig überraschend äußerst ungleich. Sauper kommt viel herum im Land, er berührt dabei auch alle die wesentlichen Themen, die wir zumeist aus gelegentlichen Zeitungsartikeln kennen. Einmal taucht sogar George Clooney kurz auf, und damit ist die zentrale Spannung von We Come as Friends klar: Im Grunde ist jede Einmischung der internationalen Mächte eine koloniale Intervention, auch jede Hilfsaktion.
Vom Brotkorb der WeltVon den allgegenwärtigen Bildschirmen lässt Sauper den Diskurs der westlichen Medien und den Propagandasprech von Politikern wie Hillary Clinton (Afrika soll "Brotkorb" der Welt werden) direkt in die vielfach katastrophale Lebenswirklichkeit der Menschen tönen. Und wenn dann bei einer feierlichen Einweihung eines Stromkraftwerks ein Mann zu tanzen und zu stören beginnt, der mit seiner Tracht herkömmlich wohl als "Medizinmann" bezeichnet worden wäre, dann deutet sich an, dass eine autochthone (also "ungestörte") Entwicklung auch nicht der Weisheit letzter Schluss wäre.
Die Widersprüche in We Come as Friends sind immer wieder kaum zu ertragen, aber sie sind nicht dem Film anzulasten. Im Gegenteil schafft Sauper es besser als in Darwin's Nightmare, mit einer kaleidoskopischen Form eine Art Gegenwartsarchäologie in einem von brutalen Ungleichzeitigkeiten geprägten Land vorzunehmen. Man kann gut verstehen, dass er mit einem Flugzeug unterwegs war, das überall landen, vor allem aber auch schnell wieder starten kann. Die Aliens, das sind wir selbst, und er ist unser Kundschafter. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 27.11.2014)
Ab 28. November im Kino